21.09.23
Chiemgau Lebenshilfe Werkstätten - mehr als ein Arbeitgeber

Oderberg/Traunreut - Die Chiemgau Lebenshilfe Werkstätten (kurz CLW) erweitern ihr Angebot. Am Donnerstag, den 21. September 2023 hat sie ihre neue Werkstatt in Oderberg bei Traunreut offiziell eingeweiht. Ab 13:00 Uhr können Sie beim Tag der Offenen Tür die neuen und Alten Einrichtungen vor Ort besichtigen und mit Mitarbeitern und Beschäftigten ins Gespräch kommen.
Die meisten Menschen, die keinen Kontakt zu Werkstätten für Menschen mit Behinderung haben, stellen sich einen besonderen Arbeitgeber vor, bei dem Menschen bestenfalls ihren Fertigkeiten entsprechend einer Arbeit nachgehen. Wir von der BAYERNWELLE wollten es genauer wissen und waren vor Ort und haben nicht nur mit den Verantwortlichen der CLW gGmbH gesprochen, sondern auch mit den Behinderten und Angehörigen.
Dr. Jens Maceiczyk ist Geschäftsführer der CLW gGmbH und hat uns im BAYERNWELLE-Interview erklärt, dass sich die Lebenshilfe als Reha-Einrichtung versteht. Im Sozialgesetzbuch IX sei demnach auch klar geregelt, dass Werkstätten für Menschen Mit Behinderung den Auftrag haben, diese Menschen zu qualifizieren und fit für den allgemeinen Arbeitsmarkt machen müssen. Maceiczyk sagte auch ausdrücklich, dass er das als primäre Aufgabe der Chiemgau Lebenshilfe Werkstätten sieht.
Das Angebot der CLW für die “Klienten”, wie Maceiczyk sie auch nennt, habe nichts mit Beschäftigungstherapie oder gar Ausbeutung zu tun. Zwar würden mit den Leistungen der Beschäftigten geringfügige Erlöse erzielt, diese würden aber vollständig zur Deckung der Betriebsausgaben verwendet. Denn es findet nicht nur die Arbeit in den Werkstätten statt, sondern auch ein umfangreiches Portfolio an sogenannten Arbeitsbegleitenden Maßnahmen.
So können die Beschäftigten Angebote wie Sport-, Tanz- oder gar Sprachkurse und noch zahlreiche andere Programme nutzen. Auch Physiotherapie oder andere therapeutischen Maßnahmen würden direkt vor Ort im Umfeld der Werkstätten angeboten. Alle diese Möglichkeiten, so Maceiczyk, finden während der regulären Arbeitszeit statt. Ebenso wie die Grundverpflegung mit Mittagessen und Getränken, sind diese Angebote für die Beschäftigten gratis.
In mehreren Interviews mit Beschäftigten konnten wir den Eindruck gewinnen, dass sie sich bei den CLW ausgesprochen wohl fühlen. Maria Franzler, Mutter eines Beschäftigten war jahrelang auch im Beirat der Werkstätten aktiv und kennt viele der Kollegen ihres Sohnes von Kindesbeinen an. Sie ist sich sicher, dass es ihnen dort gut geht. Und das, so sagte sie im Interview, ist was sie beruhigt. Weil sie weiß, dass ihr Sohn auch nach ihrem Ableben auch weiterhin gut versorgt sei.
Die Werkstätten der Lebenshilfe sind nur ein Baustein im Angebot der Organisation. Auch Wohn- und Pflegeangebote stehen den meist mehrfach behinderten Menschen zur Verfügung.
Das besondere an der neuen Werkstatt: sie ist keine herkömmliche Behindertenwerkstatt, sondern eine sogenannte Werkstatt für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Seelische Erkrankungen nähmen immer mehr zu, so Geschäftsführer Jens Maceiczyk. Das liege seiner Ansicht nach am zunehmenden Druck in unserer Gesellschaft.
Auch in der neuen Werkstatt liegt der Fokus auf der Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Die Beschäftigten können dort – abseits vom Druck im gewöhnlichen Alltag – wieder eine feste Tagesstruktur erlernen, bekommen Selbstvertrauen und ein individuelles Betreuungsprogramm, um fit für ihren eigentlichen Beruf oder eine andere Beschäftigung zu werden.
Die pädagogische Gesamtleiterin der CLW gGmbH, Jessica Stahl, erörterte im BAYERNWELLE-Interview, dass für Beschäftigte, die gerne auf den ersten Arbeitsmarkt zurückkehren wollen, eine ganze Maschinerie an Maßnahmen in Gang kommt, sobald die Möglichkeit sich zeigt oder der entsprechende Wunsch geäußert wird.
Zunächst, so Stahl, gäbe es Gespräche mit den Beschäftigten selbst, den Gruppenleitern und den sogenannten Job-Coaches. Letztere suchen dann passende Praktikumsstellen, begleiten die Klienten auch über einen längeren Zeitraum und versuchen schließlich eine dauerhafte Anstellung zu finden, die genau zu den individuellen Bedürfnissen und Besonderheiten passt.
Über 400 Beschäftigte werden zur Zeit von der CLW gGmbH betreut. 60 davon in der Werkstätte für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Die neue Werkstatt bietet allerdings 120 Plätze. Denn der Bedarf an genau solchen Angeboten wird wohl weiter steigen.