20.02.19
Riskiert die Stadt den Nachbarschaftsstreit mit Schneizlreuth?

Bad Reichenhall – Sie sollen endlich weg von der Staatstraße 2101. Die Schwerlaster, die im Laufe der Jahre immer mehr die „Thumseestrecke“ in Richtung Lofer benutzen, anstelle der eigens ausgebauten B21 entlang des Saalachsees. Dafür sprach sich am Abend der Reichenhaller Stadtrat einstimmig in Form einer Überprüfung einer möglichen Tonnagebeschränkung von 7,5 Tonnen aus. Ein Beschluss, der Jubel bei den Initiatoren der Bürger-Initiative „transitfreies Karlstein“ im Alten Rathaus hervorrief. Und ein Beschluss, der den Nachbarschaftskrieg mit der Gemeinde Schneizlreuth auslösen könnte.
Dass der Verkehr im Reichenhaller Ortsteil Karlstein immer mehr zunimmt, zeigen die offiziellen Zahlen. 2010 waren es noch rund 8000 Fahrzeuge, die die Thumseestrecke tagtäglich Richtung Lofer entlang fuhren. Nur fünf Jahre später ergaben neue Zählungen einen Anstieg auf rund 11.000 Fahrzeuge. Die Karlsteiner Bürger fühlten sich deshalb in ihrem Dasein belästigt. Anwohner schilderten gegenüber der BAYERNWELLE, dass sie nachts nicht einmal mehr das Fenster zum schlafen öffnen könnten. Aus der Not wurde eine Tugend und die Bürger formierten sich zur Initiative „transitfreies Karlstein“, die sich seit Ende letzten Jahres für die Verbesserung der hiesigen Verkehrssituation einsetzt. Ein neuer Erfolg der Initiative konnte am Abend durch den einstimmigen Stadtratsbeschluss für die Überprüfung der Einführung einer Tonnagebeschränkung von 7,5 Tonnen auf der St 2101 verbucht werden. „Die Stadträte haben endlich unsere Sorgen erkannt und nehmen sie ernst“, so Anwohnerin Helma Türk im BAYERNWELLE-Interview.
Wie ernst die Räte die Lage der Karlsteiner Bürger nahmen, wurde nicht nur durch den gemeinsamen Antrag der Tonnagebeschränkung aller im Stadtrat vertretenen Fraktionen klar. Sondern auch durch die Entscheidung, sich gemeinsam gegen die Bitte eines Bürgermeister-Kollegen aus dem Landkreis zu stellen.
Schneizlreuths Bürgermeister Wolfgang Simon wandte sich vor der gestrigen Februar-Sitzung an Oberbürgermeister Dr. Herbert Lackner. Er solle seine Räte davon überzeugen, die Abstimmung über eine Tonnagebeschränkung noch vier Wochen lang auszusetzen. Der Grund: Ende Februar habe Oberbürgermeister Herbert Lackner ein gemeinsames Treffen mit den Schneizlreuthern und den örtlichen Bürger-Initiativen vereinbart, um gemeinschaftlich die Verkehrssituation auf der St 2101 zu besprechen. Denn die führt schließlich auch an Schneizlreuth vorbei. Bürgermeister Simon befürchte beispielsweise große wirtschaftliche Nachteile für die Schneizlreuther Bürger, wenn auf der Staatstraße Richtung Inzell keine LKW mehr über 7,5 Tonnen mehr entlang fahren dürften.
Doch die Reichenhaller Stadträte gingen letztlich, nach längerer Diskussion, nicht auf die Bitte der Aufschiebung ein. „Wir müssen ein Zeichen gegenüber der Regierung setzen“, appellierte Stadtrat Fritz Grübel an die anderen Räte. Denn die Tonnagebeschränkung wurde 2015 schon einmal im Stadtrat verabschiedet. Allerdings scheiterte der Stadtrat damals unter anderem an Bundesinnenminister Joachim Herrmann. Er war der Meinung, eine Tonnagebeschränkung sei aufgrund des damaligen aktuellen Verkehrsaufkommens nicht zulässig. Doch die gestiegenen Verkehrszahlen würden für sich sprechen, so Grübl. Auch wenn eine tatsächliche Durchsetzung der Tonnagebeschränkung durch die geänderte Verkehrssituation trotzdem kein „rechtlicher Spaziergang werden wird“, wie Rat Friedrich Hötzendorfer nochmal alle Anwesenden erinnerte.
Um allerdings keinen Zwietracht mit den Schneizlreuthern zu säen, entschloss sich der Stadtrat auch gemeinschaftlich dazu, den Streckenabschnitt über Schneizlreuth in Richtung Inzell aus dem zugelassenen Antrag herauszustreichen. Außerdem sei es Oberbürgermeister Dr. Herbert Lackner trotzdem noch sehr wichtig, sich gemeinsam mit den Schneizlreuthern an einen Tisch zu setzen. Denn „der Verkehr im Landkreis ist immer eine gemeinsame Sache und darf nie ein Alleingang sein“, so Lackner abschließend gegenüber der BAYERNWELLE.